In der heutigen Ausgabe der Presse gibt es einen tollen Leitartikel von Florian Asamer, welcher sich mit den Chancen der EURO 2008 beschäftigt. Er spricht von Mondfenstern, einer glücklichen Begebung für Österreichung und bisher macht Österreich eine einzige Sonnenfinsternis daraus.
Erwartet werden aus den drei Spielen 0 Punkte mit 0 Toren – alles hausgemacht. Österreich präsentiert sich als kein Fußballland, aber auch nicht als Tourismusland, wie die aktuellen Diskussionen zeigen. Quo vadis Österreich?
Als Fußballnation hat Österreich keinen Ruf mehr zu verlieren. Als Gastgeberland für die Euro 08 aber schon. Mondfenster nennt man glückliche Fügungen dieser Art gemeinhin. Da bekommt man als kleines Land (ohnedies schon überraschend) die Austragung eines der begehrtesten Sport-Events der Welt zugesprochen - in einer Zeit, in der sich Großmächte und multinationale Konzerne um solche Veranstaltungen geradezu prügeln. Und dann zeigt auch noch Nachbar Deutschland unmittelbar vorher mit der Ausrichtung einer Muster-Weltmeisterschaft, wie man so etwas idealerweise über die Bühne bringt: organisatorisch, sportlich, ökonomisch und emotional. Und was macht Österreich daraus? Bisher eher eine Sonnenfinsternis. Neben der Gestaltung zweier jenseitiger EM-Maskottchen, gegen die selbst die Figuren der Uralt-Heidi-Serie aus asiatischen Retorten-Zeichentrick-Studios liebevoll wirken, wird in erster Linie die Diskussion geführt, ob allfälliges Fan-Grölen am Rathausplatz mit dem Burgtheater-Deutsch der Besucher gegenüber harmonieren wird. Oder ob wir die Fußballfans aus ganz Europa, die als Gäste (ja, Gäste aus Europa!) zu uns kommen werden, überhaupt reinlassen sollen. Und falls doch, unter welchen polizeilichen Auflagen. Einem Land, das jedes Jahr ganz außer sich ist, weil es sich bei Neujahrskonzert und Opernball für zwei Nächte als Nabel der Welt wähnt, möchte man da zurufen: Aufwachen, was Größeres, Aufmerksamkeitsbringenderes, Imageträchtigeres wird in den nächsten Jahren nicht mehr daherkommen! Doch ist das noch gar nichts im Vergleich zu dem, was man den Herren vom Österreichischen Fußballbund so alles zurufen möchte. Man stelle sich vor: Da führt im Jahre 2004 ein gewisser Jürgen Klinsmann (wieder direkt vor der Nase, siehe oben) exemplarisch vor, wie man ein darniederliegendes Fußballnationalteam aufrichtet. Nämlich durch einen bedingungslosen Bruch mit eingefahrenen Strukturen, durch die Anwendungen neuester taktischer und sportwissenschaftlicher Erkenntnisse in Training wie Spiel und mit der Einbindung möglichst vieler Nachwuchsspieler auch auf Kosten arrivierter Stars und ihrer Förderer. Kurz: mit der radikalen Zertrümmerung versteinerter Verbandshierarchien. Und was zieht der ÖFB daraus für eine Lehre? Er dreht das altbekannte Cordoba-Karussell um eine Umdrehung weiter und macht wieder einmal Josef Hickersberger zum Teamtrainer, während diesmal "Schneckerl" Prohaska die Spiele im Fernsehen analysiert (nach der EM das Ganze wieder umgekehrt, wetten?). Mit der Folge, dass Österreich trotz ausreichender Vorlaufzeit die schlechteste Mannschaft des Turniers stellen wird. (Schlag nach bei den internationalen Buchmachern.) Punkt. Genau an diesem Punkt begänne aber die eigentliche (wenn man so will auch sportliche) Herausforderung: Wie kommt Österreich, das in der ganzen Welt - durchaus erfolgreich - mit seiner Gastlichkeit wirbt, aus diesem Negativstrudel heraus und schafft es in den nächsten Monaten, glaubwürdig zu vermitteln, dass es die EM auch gerne ausrichtet? Und nicht mit der bisher verbreiteten Mischung aus Distanz, Provinzialität, Desinteresse und Angst vor der sportlichen Blamage. Dazu müsste freilich zuerst einmal das "Skilehrer-Syndrom" überwunden werden: der Umstand nämlich, dass die berühmte österreichische Gastlichkeit offenbar nur unter der Mentalreservation funktioniert, dass man im Ernstfall draußen im Steilhang eh allen davonfahren würde. Oder auf den Sommer umgelegt, dass man auf einem Salzkammergutsee das einzige zugelassene Motorboot unter lauter Tretbooten fahren darf (das südländische Pendant dazu ist der italienische Kellner, der seine Arbeit deshalb mit so einem gelassenen Lächeln verrichtet, weil er weiß, dass er dem blassen Bedienten am Abend die Frau in der Disco ausspannen wird).
Erst wenn das Land mit etwas mehr Souveränität zu seinem fußballerischen Status quo steht, könnte es langsam beginnen, auch die Chancen zu sehen, die mit der Europameisterschaft verbunden sind. Gelingt das (etwas Zeit bleibt noch), wird sich so etwas wie EM-Stimmung wohl automatisch einstellen. Wenn nicht, könnte es eng werden. Als Tourismusland muss Österreich nämlich vor einem Milliarden-Publikum bestehen, und als solches (nicht als "Fußballnation") hat es einen Ruf zu verlieren. Alles andere als null Punkte und null Tore wären hingegen eine positive Ãœberraschung. Ãœbrigens: Was hat Österreich mit dem sagenumwobenen 3:2-Sieg gegen Deutschland beim WM-Turnier 1978 erreicht? Richtig, es ist ausgeschieden.
Ich hoffe er irrt sich bei seinen Artikel – aber ich fürchte Herr Asamer hat in vielem Recht, was er hier behauptet. Eine Grund mehr die Presse zu kaufen – denn es ist wahrlich eine großartige Zeitung.